Um Ihnen, lieber Leser, eine kleine Einführung in das Thema Streuobstwiese zu geben, haben wir hier für Sie einen aufschlussreichen Artikel aus dem sehr umfangreichen Internetangebot herausgesucht.
Bedeutung und Geschichte der Obstwiesen "Streuobstwiesen"
Obstwiesen binden Dörfer und Gehöfte harmonisch in die Landschaft ein. Mit Ihrem auffälligen Blühen und Fruchten betonen sie den Wandel der Jahreszeiten, prägen ganze Landschaften und lassen diese besonders reizvoll erscheinen.
Verglichen mit neuen Anlagen zum intensiven Obstanbau sind diese Obstwiesen sehr vielfältig, geprägt durch mehrere Obstarten und -sorten, die als Hochstamm gepflanzt wurden und relativ robust sind. Meist stehen Bäume verschiedener Altersklassen unregelmäßig verteilt, wie gestreut, in der Wiese. Das Erscheinungsbild dieser "Streuobstwiesen" ist deshalb alles andere als monoton und austauschbar. Jede Wiese ist anders, ein individuelles Biotop.
Die Mehrzahl der Obstwiesen wurden im 18. und 19. Jahrhundert angelegt, allerdings damals noch häufig mit ackerbaulicher Nutzung oder als Obstgarten. Die Umwandlung in Grünland erfolgte häufig erst später.
Der wirtschaftliche Nutzen ging also über die Obsterzeugung hinaus.
Besonders in rauhen Lagen machte sich eine ausgleichende klimatische Wirkung für die Menschen angenehm bemerkbar: An heißen Tagen sorgten die Obstwiesen für Abkühlung, starker Wind wurde schon am Ortsrand gebremst.
Die robusten Obstsorten waren nicht auf eine intensive Pflege angewiesen. Auf den Einsatz von chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln konnte verzichtet werden.
Aus wirtschaftlichen Gründen setzte vor 20 Jahren ein Rückgang der Obstwiesen ein. Die "herkömmlichen" Hochstamm-Obstwiesen waren nicht mehr rentabel. Bis 1974 wurden für ihre Beseitigung sogar noch Rodungsprämien gezahlt. Ziel war eine Marktbereinigung, zu der auch eine Sortenbereinigung gehörte.
Das allgemeine Siedlungswachstum, zunehmender Grünlandumbruch, Flurbereinigungen mit der Neugestaltung des Wegenetzes, Vernachlässigung der Pflege und fehlende Nachpflanzungen taten ein übriges, um den Obstwiesen den Garaus zu machen.
In Hessen wurde beispielsweise ein 80 %-iger Verlust von Hochstammobstbäumen seit 1951 festgestellt (Hess. Min. für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz). In Baden-Württemberg war zwischen 1965 und 1982 ein Rückgang um 35 % zu verzeichnen.
Heute spielen Obstwiesen noch für die Mostproduktion, für den Eigenbedarf und als Nebenerwerb eine Rolle. Alternative Nutzungsformen gewinnen zunehmend an Bedeutung, z. B. neue Vermarktungswege als Bio-Produkte. Die Vermietung einzelner Bäume und ganzer Wiesen nimmt eine traditionelle Nutzungsform wieder auf. Die Interessenten kommen heute überwiegend aus Ballungsgebieten. Mit dem fortschreitenden Verlust an Obstwiesen waren es jetzt aber die ökologischen und landwirtschaftlichen Werte, deren Fehlen auffällig wurde.
Tierwelt
Obstbäume sind ideale Höhlenbäume. Sie lassen die Bildung von Höhlen früher zu als andere Baumarten. Baumhöhlen sind für viele Tiere unentbehrlich als Wohn-, Brut- und Schutzhabitat.
Natürliche Baumhöhlen entstehen zum einen an alten absterbenden Bäumen, indem Stamm oder Aststümpfe ausfaulen und zum anderen in erster Linie durch Spechte, die aber ebenfalls totes bzw. morsches Holz bevorzugen.
Verlassene Spechthöhlen werden z. B. von Star, Gartenrotschwanz, Trauerfliegenschnäpper, Kleiber und Wendehals als Nachmieter genutzt. Nonnen-, Hauben-, Tannen- und Weidenmeisen betätigen sich selbst als Höhlenbauer.
Der Steinkauz benötigt nicht nur Höhlen, sondern er schätzt auch freieres Gelände als den Wald. Für ihn sind deshalb Obstwiesen und Kopfbäume ideale Lebensräume.
Für die Fledermäuse (Abendsegler, Zwergfledermaus, Rauhautfledermaus und Bechsteinfledermaus) sind die Höhlen der Obstbäume und das Biotop Obstwiese das wichtigste Wohn- und Jagdrevier in der heutigen Kulturlandschaft.
Bilche, wie Garten- und Siebenschläfer, haben auch den Wert von kleinen Höhlen erkannt.
Obstbäume sind somit u. a. als Höhlenbäume ökologisch bemerkenswert, vorausgesetzt, alte Obstbäume bleiben erhalten und werden nicht weggepflegt.
Darüber hinaus hat der Obstbaum aber noch mehr zu bieten:
Insgesamt findet man in Obstwiesen bis zu 3000 Tierarten.
Für viele Arten sind Obstwiesen der wichtigste Lebensraum überhaupt, sie haben hier ihr Hauptvorkommen. Man spricht in diesen Fällen von charakteristischen Arten.
Charakteristische Vogelarten sind Raubwürger, Rotkopfwürger und Steinkauz. Geradezu als der Charaktervogel von Obstwiesen kann der Stieglitz angesehen werden, der heute allerdings auch selten geworden ist. Auch die gefährdeten Arten Wiedehopf und Neuntöter haben hier heute ihren Hauptlebensraum.
Das gleiche gilt auch für den mit den Spechten verwandten Wendehals, ein früher häufiger Höhlenbrüter, der heute mit auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht.
Lurche und Kriechtiere, wie die Erdkröte und Grasfrosch, Blindschleiche und Waldeidechse sind ebenfalls relativ häufig auf Obstwiesen anzutreffen. Durch Teiche, Trockenmauern und andere Zusatzstrukturen wird ihr Vorkommen noch gefördert. Alle Amphibien und Reptilien sind heute geschützt. Für die ökologische Stabilität in den Obstwiesen leisten sie einen wertvollen Beitrag.
Pflanzenwelt
Pflanzen und Tiere bilden eine Einheit. Eine abwechslungsreiche Flora sorgt auch für eine reiche Fauna. Die Brennessel z. B. ist Nahrung für die Raupen des Admiral, Kleiner Fuchs, Distelfalter, Tagpfauenauge, Landkärtchen und Citronenfalter.
Extensiv genutzte Obstwiesen sind aber auch für manche botanische Kostbarkeit gut, z. B. sind Hohler Lerchensporn, Goldstern und Märzenbecher auch hier zu Hause.
Auf Apfelbäumen wächst als Halbschmarotzer die Mistel.
Auch Arten wie Margerite, Schafgarbe, Kerbel, Vogelwicke, Wiesen-Storchschnabel, Bibernelle, Günsel, Lungenkraut, Sauerampfer, Lanzett-Kratzdiestel, Habichtskraut u. v. m. finden auf einer Obstwiese Platz.
Als Biotoptyp vereinen die Obstwiesen Eigenschaften der Wälder und Gehölzbiotope mit denen der Grünlandbiotope. Sie bieten deshalb Arten aus beiden Lebensräumen Platz.
Eine extensive Bewirtschaftung ohne Düngung und ohne Gifteinsatz trägt darüber hinaus entscheidend zum Artenreichtum bei bzw. ist erst Bedingung, dass sich diese Vielfalt an Arten entfalten kann.
Durch die Verbindung mit anderen Biotopen und folgende Zusatzstrukturen kann der ökologische Wert einer Obstwiese noch gesteigert werden:
Arten- und Strukturreichtum machen die Obstwiesen zu einem Biotop, das sich noch in einem ökologischem Gleichgewicht befindet. Sogenannte Schädlinge haben in diesem System vernetzter Nahrungsbezüge keine Chance zu einer Massenvermehrung. Jedem Schädling oder - neutraler ausgedrückt - jeder Art, die direkt vom Obstbaum lebt, stehen genügend natürliche Feinde gegenüber und halten diese somit ökologisch unter Kontrolle.
Vergleichende Untersuchungen einer extensiven Obstwiese mit einer Intensiv-Obstplantage ergaben auffällige Unterschiede hinsichtlich Individuen- und Artenzahlen bei ausgewählten wirbellosen Tiergruppen.
Ihre räumliche Verteilung in der Landwirtschaft macht Streuobstwiesen zu hervorragenden Trittsteinbiotopen, die es sowohl Arten der Wälder als auch Arten der Grünländer ermöglicht, größere Entfernungen zu überbrücken bzw. die Landschaft insgesamt zu besiedeln.
Der ökologische Wert von Obstbäumen bleibt natürlich nicht nur auf Streuobstwiesen beschränkt. Die Verbreitung von Obstgehölzen in der Landschaft wird noch durch Obstbaumalleen und Obstbaumreihen sowie Baumgruppen in Privatgärten und Kleingartenanlagen vervollständigt. Streuobstbau bedeutet heute Hochstamm-Obstbau ohne Verwendung synthetischer Behandlungsmittel wie Pestiziden oder Mineraldünger. Ein Obstbaum ist dann ein Hochstamm, wenn die erste Äste frühestens ab 1,80 Meter Höhe anfangen.
Charakteristisch am Streuobstbau ist auch die Vielfalt der Obstarten und die noch viel größere Vielfalt lokaler Obstsorten, mindestens 3000 alleine in Deutschland. Streuobstwiesen bieten über 5000 Tierarten eine Heimat. Der Streuobstbau ist in jeder Hinsicht das Gegenteil des Plantagen-Obstbaus mit seinen Niederstämmen, Monokulturen, hohem Mitteleinsatz im Pflanzenschutz und geringer biologischer Vielfalt.